„Fast menschlich - aber treu“
Grabschriften für Tiere als Institution der Popular
Von Karl S. Guthke, Cambridge, MA, USA
„Ja, Luise, die Kreatur. Das ist ja, was ich immer sage. Es ist nicht
soviel mit uns, wie wir glauben. Da reden wir immer von Instinkt.
Am Ende ist es doch das Beste.“
„Sprich nicht so. Wenn du so philosophierst... nimm es mir nicht
übel, Briest, dazu reicht es bei dir nicht aus. Du hast deinen guten
Verstand, aber du kannst doch nicht an solche Fragen
„Eigentlich nicht.“
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Die spektakuläre Bekanntmachung der Ergebnisse des langjährigen Genompro
jekts durch Präsident Clinton und Premierminister Blair am 26. Juni 2000 ver-
anlaßte den „Spiegel“ zu einer Titelgeschichte über den Annäherungsgrad von
Menschen und Menschenaffen im Licht neuester Forschungsergebnisse. Die Über
einstimmung im Erbgut (DNS) beziffert sich, war da zu lesen, auf 98,4 Prozent.
Im Fall von Tieren unseres alltäglicheren Umgangs, etwa Hunden und Katzen,
dürfte die Übereinstimmung diesem Prozentsatz nicht weit nachhinken, wenn sich
schon „Maus und Mensch in ihrer DNS zu 92 Prozent gleichen . Der von Haeckel
popularisierte Darwin hat den Leser kaum stärker aufhorchen lassen. Betitelt war
der „Spiegel“-Artikel „Geschwister im Geiste“, und das Umschlagbild zeigte unter
der Überschrift „Bruder Affe“ einen Schimpansen, der, den Blick auf einen Men
schenschädel in seinen Händen gerichtet, anscheinend über den Homo sapiens
meditiert - eine Pose, die (mit einem Menschen statt des Schimpansen) von der
barocken Bildkunst, später auch von „Hamlet -Illustrationen bekannt ist . 1
Der Volkskultur ist ein solcher Gedankensprung über die Artengrenze vom
Menschen zum Tier als seinem nahen Verwandten seit Jahrhunderten geläufig.
Zum Beispiel: Wenn die Kulturanthropologie es für ein definierendes Indiz des
Humanen hält, daß der Mensch seinesgleichen eine Bestattung (oder ein anderes
Abschiedsritual) zuteil werden läßt, dann dürfte der schon vor der griechischen
Antike in vielen Kulturen verbreitete Brauch, auch Tiere mit jedenfalls einem
1 Heft 35, 28. August 2000 , S. 212-225; Zitate: S. 213, 225. Vgl. auch Die Zeit, 20. Dezem
ber 2000, S. 17-22 (u. a. über Werkzeuggebrauch, Emotionen und „Seele“, Bewußtsein und
Sprachfähigkeit). Während Frans de Waal (The Ape and the Sushi Master. Cultural Reflecti
ons of a Primatologist. New York 2001) für die Kulturfähigkeit der Tiere plädiert, verankert
Edward O. Wilson (Consilience. New York 1998) die Kultur als vermeintlich menschliches
Charakteristikum im Biologischen.
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