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Full Text: Zeitschrift für Volkskunde, 99.2003

„Fast menschlich - aber treu“ 
Grabschriften für Tiere als Institution der Popular 
Von Karl S. Guthke, Cambridge, MA, USA 
„Ja, Luise, die Kreatur. Das ist ja, was ich immer sage. Es ist nicht 
soviel mit uns, wie wir glauben. Da reden wir immer von Instinkt. 
Am Ende ist es doch das Beste.“ 
„Sprich nicht so. Wenn du so philosophierst... nimm es mir nicht 
übel, Briest, dazu reicht es bei dir nicht aus. Du hast deinen guten 
Verstand, aber du kannst doch nicht an solche Fragen 
„Eigentlich nicht.“ 
1. 
Die spektakuläre Bekanntmachung der Ergebnisse des langjährigen Genompro 
jekts durch Präsident Clinton und Premierminister Blair am 26. Juni 2000 ver- 
anlaßte den „Spiegel“ zu einer Titelgeschichte über den Annäherungsgrad von 
Menschen und Menschenaffen im Licht neuester Forschungsergebnisse. Die Über 
einstimmung im Erbgut (DNS) beziffert sich, war da zu lesen, auf 98,4 Prozent. 
Im Fall von Tieren unseres alltäglicheren Umgangs, etwa Hunden und Katzen, 
dürfte die Übereinstimmung diesem Prozentsatz nicht weit nachhinken, wenn sich 
schon „Maus und Mensch in ihrer DNS zu 92 Prozent gleichen . Der von Haeckel 
popularisierte Darwin hat den Leser kaum stärker aufhorchen lassen. Betitelt war 
der „Spiegel“-Artikel „Geschwister im Geiste“, und das Umschlagbild zeigte unter 
der Überschrift „Bruder Affe“ einen Schimpansen, der, den Blick auf einen Men 
schenschädel in seinen Händen gerichtet, anscheinend über den Homo sapiens 
meditiert - eine Pose, die (mit einem Menschen statt des Schimpansen) von der 
barocken Bildkunst, später auch von „Hamlet -Illustrationen bekannt ist . 1 
Der Volkskultur ist ein solcher Gedankensprung über die Artengrenze vom 
Menschen zum Tier als seinem nahen Verwandten seit Jahrhunderten geläufig. 
Zum Beispiel: Wenn die Kulturanthropologie es für ein definierendes Indiz des 
Humanen hält, daß der Mensch seinesgleichen eine Bestattung (oder ein anderes 
Abschiedsritual) zuteil werden läßt, dann dürfte der schon vor der griechischen 
Antike in vielen Kulturen verbreitete Brauch, auch Tiere mit jedenfalls einem 
1 Heft 35, 28. August 2000 , S. 212-225; Zitate: S. 213, 225. Vgl. auch Die Zeit, 20. Dezem 
ber 2000, S. 17-22 (u. a. über Werkzeuggebrauch, Emotionen und „Seele“, Bewußtsein und 
Sprachfähigkeit). Während Frans de Waal (The Ape and the Sushi Master. Cultural Reflecti 
ons of a Primatologist. New York 2001) für die Kulturfähigkeit der Tiere plädiert, verankert 
Edward O. Wilson (Consilience. New York 1998) die Kultur als vermeintlich menschliches 
Charakteristikum im Biologischen. 
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